Warum gibt es keine Rentenanpassungen?
Die
Kosten steigen, aber die Renten bleiben unten. Seit über 25
Jahren schon müssen sich Rentner mit realen Einkommensverlusten
herumplagen und können sich immer weniger leisten. Für die
Minderheit der gutsituierten Senioren mag das alles halb so schlimm
sein - den Durchschnittsrentner trifft es aber um so härter.
Nicht wenige fragen sich, wofür sie ein Leben lang hart
gearbeitet und hohe Beiträge entrichtet haben. Denn
hätten sie ihr ganzes Leben gefaulenzt, würden sie
finanziell dank staatlicher Alimentierung kaum schlechter dastehen
(häufig sogar deutlich besser).
Die Argumentation der Politiker und Journalisten:
Nun bemühen sich Politiker und Journalisten unentwegt, die Ursachen für die Verschlechterung der Lage zu erläutern. Mit längst abgenutzten Klischees versuchen sie beharrlich, die demographische Entwicklung für das Desaster verantwortlich zu machen.
"Die Menschen werden älter", klagen sie, "eine sinkende Zahl von Beitragszahlern muss eine wachsende Zahl von Rentnern ernähren. Würde man das Rentenniveau aufrecht erhalten, müssten die Rentenbeiträge der arbeitenden Bevölkerung von Jahr zu Jahr angehoben werden. Die Realeinkommen der Beitragszahler würden dadurch ständig abnehmen, was zu einem Ungleichgewicht führen würde. Arbeit würde sich in Deutschland immer weniger lohnen. Der Generationenvertrag geriete ins Schwanken, zumal die Beitragszahler von heute später einmal recht niedrige Renten zu erwarten hätten (vielleicht gar nur noch eine Grundrente in Höhe der Sozialhilfe)."
Wie so oft im Leben sind das Schlimmste nicht offensichtliche Lügen (die meistens schnell durchschaut werden), sondern raffiniert durchdachte Halbwahrheiten!
Natürlich stimmt es, dass sich die Lebenspyramide verändert, zum Schaden der Beitragszahler. Aber es wird verschwiegen (und dieses Verschweigen werte ich als 1. Lüge), dass diese demographische Entwicklung schon seit 100 Jahren andauert.
Es wird weiter verschwiegen (die 2. Lüge), dass die rasant wachsende Produktivität die Veränderung der Altersstruktur finanziell mehr als ausgleicht. Wenn die Produktivität sich alle 25 Jahre in etwa verdoppelt, dann kann sich der Lebensstandard der arbeitenden Bevölkerung prächtig entwickeln, selbst wenn für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung mehr aufgebracht werden muss.
Es wird weiter verschwiegen (und dies ist nach meiner Auffassung bereits die 3. Lüge), dass der eigentlich selbstverständliche Anstieg der Produktivität sich nur deshalb ins Negative verkehrt, weil die Zollgrenzen weitgehend abgebaut wurden.
Es wird verschwiegen (Lüge oder Unwissenheit?), dass ohne regulierende Zollgrenzen eine Marktwirtschaft nicht funktionieren kann, weil das Land sich dann schutzlos dem globalem Dumpingsystem preisgibt.
Es wird
verschwiegen, dass bei fehlenden Zollgrenzen Unternehmer ganz
selbstverständlich die
Lage nutzen, um Produktionen ins Ausland zu
verlagern.
Würde ein Waschmaschinenhersteller seine Fabriken von
Deutschland nach Polen verlagern, wenn bei der Einfuhr an der
deutschen Grenze der Zoll zuschlagen und alle Einsparungen zunichte
machen würde? Nein, das würde er sicher nicht! Ein solcher
Hersteller würde auf die Auslagerung verzichten, weil er seinen
alten Marktanteil nicht verlieren möchte (ein Zoll macht
eingeführte Geräte teurer als im Inland hergestellte
Ware).
Es wird verschwiegen (wieder nur Unwissenheit oder doch eher Lüge), dass in einem intakten Binnenmarkt (mit angemessenen Zollgrenzen) ganz selbstverständlich die durch Forschung und bessere Technik erarbeiteten Produktionszuwächse auch an die Bevölkerung weitergereicht würden, weil sonst die Marktwirtschaft kollabieren würde.
Es wird verschwiegen, dass die heutige Entwicklung (steigende Produktivität und sinkende Realeinkommen) absolut pervers und nur möglich ist, weil der chaotische unübersichtliche und unkontrollierbare Weltmarkt mit seinen 1000 Ungereimtheiten (unterschiedliche Vorschriften, Steuern, Löhne usw.) die Gesetze der Marktes außer Kraft setzt.
Deshalb gibt es für mich keine größere Lüge als die Behauptung "Die EU bringt uns Wohlstand" bzw. "Die Globalisierung bringt uns Wohlstand". Die letzten 25 Jahre bescherten uns trotz einer Verdoppelung der Produktivität reale Einkommensverluste von mindestens 15 %. Will man noch mehr Beweise?
Ältere
Arbeitslose werden in den Vorruhestand abgeschoben!
Die
Verlogenheit des ganzen Systems lässt sich noch an weiteren
Machenschaften ablesen. So werden bei uns zum Beispiel schon seit
Jahrzehnten ältere Arbeitslose in den Vorruhestand abgeschoben,
um die offizielle Arbeitslosenstatistik
erträglich zu gestalten.
Ich halte diesen Verschiebebahnhof für einen Beitrag zur Volksverdummung. Arbeitslose gehören in die Arbeitslosenstatistik, nicht aber ins Rentenlager. Wer derart mauschelt, vertuscht die tatsächlichen Probleme. Nicht die "Vergreisung" unserer Gesellschaft ist das eigentliche Problem, sondern der Export dringend benötigter Arbeitsplätze durch den globalen Dumpingwettbewerb.
Es müssen nicht unbedingt Zölle sein!
Der globale Dumpingwettbewerb muss nicht unbedingt mit Zöllen abgeschafft werden. Es gibt Alternativen mit ähnlicher Wirkung, die international nicht als protektionistisch gebrandmarkt sind, wie etwa die Lohnkostenreform (schrittweise Anhebung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Absenkung der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung).
"Aber dann zieht man den Rentner doch noch mehr Geld aus der Tasche.."
Nicht
wenige befürchten, dass eine Zoll- oder Mehrwertsteueranhebung
zu weiteren Kaufkraftverlusten der Rentner führt. Aber auch dies
ist wieder zu kurz gedacht, es ist noch weniger als eine
Halbwahrheit.
Denn die Einnahmen aus den Anhebungen führen gleichzeitig zu
Abgabensenkungen an anderer Stelle, sind in der Summe also
völlig kostenneutral. Wenn nun eingewendet wird, dass bei den
Abgabensenkungen die Rentner weitgehend leer ausgehen, so ist dies
gleich ein doppelter Irrtum: Denn erstens sind die Renten an die
Einkommensentwicklung der Arbeitnehmer gekoppelt und zweitens
führen Lohnkostensenkungen auch zu einer Verbilligung der
Produktion.
Die im Januar 2007 durchgeführte Lohnkostenreform hat es bewiesen: Die dreiprozentige Anhebung der Mehrwertsteuer hat zu keiner spürbaren Teuerung geführt, weil gleichzeitig die Lohnnebenkosten gesenkt wurden. Die Verteuerung der Importe (bei gleichzeitiger Verbilligung der heimischen Produktion) führten zu einer Schwächung des globalen Dumpingsystems, die sich wie erwartet äußerst positiv auf die Konjunktur und den Arbeitsmarkt auswirkte.
Man muss das globale Dumpingsystem aufbrechen!
Dass die
Rentner seit vielen Jahren beim Inflationsausgleich weitgehend leer
ausgingen, lag nicht am grundsätzlichem Prinzip des
Generationenvertrages, sondern an der Einführung der
Riesterrente (für dessen Finanzierung die heutigen Rentner
bluten müssen) und bewusst verordneter Änderungen des
Anpassungssystems wegen schlechter Wirtschaftslage.
Eine Anhebung der Rentenversicherungsbeiträge wollte man der
Wirtschaft und den Arbeitnehmern nicht zumuten, man befürchtete
durch diese Kostenerhöhung einen weiteren Anstieg der
Arbeitslosigkeit.
Dass die Finanzlage so desolat ist, liegt am importierten Wettbewerbsdruck - und hier schließt sich der Kreis: Würde Deutschland sich durch Zölle oder Mehrwertsteuererhöhungen von diesem Joch befreien, würde sich die gesamtwirtschaftliche Lage bessern, es wären auch wieder die eigentlich selbstverständlichen Rentenanpassungen finanzierbar.
Inflation
und Rentenerhöhung (brutto) ab
2000 Jahr Inflationsrate Rentenanstieg 2000 1,4
% 0,6
% 2001 1,9
% 1,91
% 2002 1,5
% 2,16
% 2003 1,0
% 1,04
% 2004 1,7
% 0
% 2005 1,5
% 0
% 2006 1,6
% 0
% 2007 2,3
% 0,54
% 2008 2,6
% 1,1
% 2009 0,4
% 2,41
% 2010 1,1
% 0
% 2011 2,3
% 0,99
% 2012 2,0
% 2,18
% 2013 2,0
% (Prognose) 0,25
% Gesamt 126
% 114
% In
welchem Maße uns die EU, der Euro und die
Globalisierung Wohlstand bescheren (wie
gebetsmühlenartig behauptet wird), demonstriert
anschaulich die obige Tabelle des Rentenanstiegs in
Westdeuschland. Die
Renten hätten um 12 % mehr ansteigen müssen, um
zumindest den Kaufkraftverlust auszugleichen. Doch das
Desaster ist weit dramatischer, als es die Entwicklung der
Bruttorenten vermuten lässt. Denn netto kommt bei
diesem Vergleich noch viel weniger heraus. So muss ich
als Renter inzwischen jährlich 9000 Euro in die
Kranken- und Pflegeversicherung einzahlen - bei meinem
Vater war vor 20 Jahren noch alles beitragsfrei (sogar
steuerfrei). Erklärt
wird der schleichende Niedergang fadenscheinig mit der
demografischen Entwicklung (dem Anstieg der Rentner). Doch
dieses "Problem" begleitet uns schon seit über 100
Jahren und wird ausgeglichen durch den steten Anstieg der
Produktiviät. In
unserem Sozialstaat finden laufend Umverteilungen statt, die
auch noch wahltaktisch ausgeschlachtet werden (als
Wahlgeschenke verkauft werden). Den Rentnern wird es
trickreich genommen (weitgehend unbemerkt und schleichend) -
und das dort eingesparte Geld in scheinbar soziale Wohltaten
gesteckt (noch mehr Geld für Kinder, Familien,
Bedürftige, Flüchtlinge usw.). Die
Rentner, die einst weitgehend ohne staatliche Hilfen
(selbst ohne Kindergelder) drei oder vier Kinder erfolgreich
großgezogen und 45 Jahre Vollzeit malocht haben,
bekommen heute oft nur eine Nettorente in Höhe der
Grundsicherung (kriegen also nicht mehr als all diejenigen,
die nie in ihrem Leben gearbeitet haben oder erst als
Rentner nach Deutschland kamen).
Westdeutschland
Zudem wird bei der scheinheiligen "Kostenanalyse"
unterschlagen, dass wegen der niedrigen Geburtenraten auch
weniger Kinder und Jugendliche auszubilden und zu
ernähren sind. Der Anteil der nicht
arbeitsfähigen Bevölkerung (Kinder, Jugendliche,
Rentner, Invaliden) war vor 100, vor 50 oder auch vor 30
Jahren viel höher als heute.
Das ist denn die vielbeschworene soziale Gerechtigkeit, auf
die unsere Sozialpolitiker so mächtig stolz
sind.
PS: Laut einem 45minütigen Bericht im Fernsehkanal Phönix am 9. 2. 2012 wurde die Riesterrente bis dato mit 15 Milliarden Euro subventioniert und bietet trotzdem im Alter nur ganz erbärmliche Renditen. Wer später einmal auf eine Grundrente angewiesen ist, kann sogar sämtliche Ansprüche verlieren.
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Aufklärung der Bevölkerung ebnet den Weg für
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Müller
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auch keiner Partei an. In den 1990er Jahren war ich lediglich einige
Jahre Mitglied der CDU, um die Einführung des Euro zu
verhindern.
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Impressum
© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser
Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung
2007
Manfred Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Demokratie, Kapitalismus und Politik.
Anmerkung:
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Bücher
von Manfred J. Müller
"Es
gibt zu unserer Politik keine Alternative!". Denkverbote,
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Rufmord - soll das die Demokratie des 21. Jahrhunderts sein?