Welche Auswirkungen hat eine Mehrwertsteuererhöhung?

Translater:

 

Der unredliche Kampf gegen die Mehrwertsteuererhöhung …

Welche Auswirkungen hat eine Mehrwertsteuererhöhung tatsächlich? Was ist unsozial an der Mehrwertsteuer?

 

Es ist schon traurig, wie auch in unser heutigen „aufgeklärten" Zeit mit Unwahrheiten und Entstellungen Politik gemacht wird. Wenn ich nur einmal an das erbärmliche Schmierentheater wegen der letzten Mehrwertsteuererhöhung denke - was wurde da nicht alles verdreht und gelogen. „Eine Mehrwertsteuererhöhung sei unsozial und belaste hauptsächlich den kleinen Mann" wurde der Bevölkerung von allen Seiten immer wieder eingebleut. Natürlich lassen sich mit derlei plumpen populistischen Äußerungen Wählerstimmen gewinnen - wer hört schon gerne etwas von Steuererhöhungen.

Verschwiegen wurde bei der demagogischen Hetze, dass der teure Sozialstaat schließlich irgendwie finanziert werden muss - irgendwoher muss das Geld kommen. Und wenn man die möglichen Einnahmequellen objektiv betrachtet, dann ist, trotz aller gegenteiligen Beteuerungen, die Mehrwertsteuer weit sozialer als hohe Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge. Sie ist auch für die Volkswirtschaft am günstigsten! Weil nun einmal in einem fast zollfreien Weltmarkt hohe Unternehmens- und Einkommenssteuern nur begrenzt durchsetzbar sind.

 

Populistische Geisterdebatten …
Von wem kann sich der Staat das Geld denn sonst noch holen? Eine Reichensteuer oder die Erhöhung der Spitzensteuersätze als Lösung zu verkaufen ist mehr als scheinheilig. Zwar bin auch ich der Meinung, die „Reichen" könnten ruhig etwas mehr berappen - aber dies sind in einer globalisierten Welt nur fromme Wunschvorstellungen. Wollen wir denn um Deutschland eine neue Mauer bauen und die Großverdiener bei uns einsperren? Natürlich werden die Reichen bei zu hohen Abgaben ihren Wohnsitz wechseln - günstige Steueroasen gibt es auch in Europa zuhauf, und bei einem zu hohen Steuersatz hört selbst bei patriotisch gesinnten Millionären die Vaterlandsliebe irgendwann auf. Ähnliches gilt für die Vermögens- und Erbschaftssteuer. Der Staat muss immer abwägen, wie die Verhältnisse im nahen Ausland sind - nur so kann er ermitteln, wo noch ein wenig Luft für Mehreinnahmen ist.

Da 98 % der Bundesbürger sich nicht zu den Großverdienern zählen können wundert es wenig, wenn beim Wahlvolk Forderungen nach einer Reichen- und Vermögenssteuer gut ankommen. Einen Wahlkampf auf einer solch primitiven Basis zu führen und mit unrealistischen Annahmen über mögliche Mehreinnahmen eine scheinbare Alternative vorzugaukeln, halte ich für unanständig und durchtrieben. Ob die Einführung einer Reichensteuer überhaupt etwas bringt, ist mehr als fraglich. So zu tun, als ließen sich damit die deutschen Probleme lösen, ist schamlos.

 

Höhere Unternehmenssteuern?
Das gleiche Täuschungsmanöver vollzieht sich bei der Forderung nach einer höheren Besteuerung der Unternehmen und Konzerne. Sicher, mich ärgert auch, dass Konzerne beim Steueraufkommen so gut wegkommen - aber auch hier muss man doch sehen, was überhaupt möglich ist. Einfach die Unternehmenssteuern anzuheben würde bedeuten, den Auslagerungsprozess ins Ausland zu beschleunigen. Am Ende kann eine weltfremde Steuererhöhung zu hohen Einnahmeausfällen und einem Ansteigen der Arbeitslosenzahlen führen. Die Politiker haben diese ungünstige Erpressungslage leider selbst geschaffen, indem sie wider aller Vernunft die Zollgrenzen rigoros niedergewalzt haben.

 

Akuter Handlungsbedarf besteht allerdings bei den zahlreichen Konzernen, die angeblich trotz hoher Umsätze in Deutschland Jahr für Jahr keine versteuerbaren Gewinne erwirtschaften. In meinem Buch "Die Wandlung Deutschlands nach der Corona-Krise" greife ich auch dieses leidige Thema auf und benenne konkret, mit welch einfachen Mitteln man derartigen Zombies beikommt. Großunternehmen, denen es auf Dauer kaum oder nie gelingt, echte Gewinne zu erwirtschaften, haben nach meinem Empfinden im Kapitalismus nichts verloren. Sie sind Schmarotzer, weil sie das kapitalistische System pervertieren, die Marktwirtschaft ad absurdum führen und Konkurenten, die ehrlich Steuern zahlen, kaum eine Chance lassen.

 

Ein geschickter Schachzug …
Die Mehrwertsteuer ist in der derzeit ungünstigen (durch den Zollabbau selbst herbeigeführten) Situation die einzige Steuer, die das Erpressungspotential der Konzerne mindert, die inländische Wirtschaft entlastet und Importe verteuert (denn auf die wird die Mehrwertsteuer gleichsam aufgeschlagen). Der positive Effekt wird verdoppelt, wenn mit der Mehrwertsteuererhöhung eine Absenkung der Lohnnebenkosten einhergeht, also eine Umfinanzierung der Sozialsysteme stattfindet. Seit 1986 propagiere ich dieses System und konnte auch zahlreichen Spitzenpolitikern die Vorteile dieser Reform verständlich machen. Ich bin froh, dass inzwischen zumindest teilweise ein Umdenken stattgefunden hat und die Regierung Merkel 2007 einen beherzten Schritt in die richtige Richtung wagte - trotz des Widerstandes seitens der Medien und zahlreicher unbelehrbarer Politiker.

 

(2+0):2 = 3
Besonders gefreut hat mich das Einlenken der SPD in dieser Sache. Sie hatte im Bundestagswahlkampf 2005 noch wortgewaltig Stimmung gegen eine Mehrwertsteuererhöhung gemacht und man hätte gedacht, die große Koalition würde sich irgendwie in der Mitte treffen. Also 2 % CDU-Wunschvorstellung, 0 % seitens der SPD - das ergäbe einen Kompromiss von 1 %. Dass man sich dann doch auf mutige 3 % einigen konnte zeigt, welch ein politischer Wandel in der SPD sich seit dem Abgang Schröders vollzogen hat.

 

Die hässliche Rolle der Medien …
Dass machthungrige Politiker mit populistischen Maßnahmen (Reichensteuer, Verteufelung der Mehrwertsteuer) versuchen, Wahlen zu gewinnen, kann man noch irgendwie nachvollziehen. Warum aber auch die Medien so eifrig gegen die Mehrwertsteuer wettern, sollte stutzig machen. Haben Wirtschaftsredakteure vielleicht erkannt, dass mit jedem Prozent der Mehrwertsteuererhöhung und mit jedem Prozent der Lohnnebenkostensenkung letztlich die Macht und die Einflussnahme der Großunternehmen abnimmt? Weil dadurch Inlandsprodukte billiger und Importe teurer werden - die Produktionsauslagerung sich also weniger rentiert und das Erpressungspotential auf die Politik schwindet?

 

Nachtrag 2007:
Alles lief noch besser als erwartet, nachdem die neue Regierungskoalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel sich Ende 2005 auf eine 3%ige Mehrwertsteueranhebung zum 1.1.2007 einigte (bei gleichzeitiger Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung). Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten: Unternehmer und Investoren haben schnell begriffen, dass allein durch diese kleine Umfinanzierung des Sozialsystems sich die deutschen Lohnkosten gegenüber dem Ausland um 4 % verbilligen und dass wegen der angehobenen Mehrwertsteuer (Zolleffekt) sich Betriebsverlagerungen ins Ausland weniger lohnen. Die Zahl der Arbeitslosen ist infolgedessen um 800.000 zurückgegangen, das Wirtschaftswachstum auf über 2,5 % gestiegen und sogar die Neuverschuldung des Staates konnte deutlich gesenkt werden. Selbst die Inflationsrate hat sich nicht nach oben bewegt - trotz aller düsteren Prognosen hat die Lohnkostenreform keine Verteuerungen hervorgerufen. Es ist also alles genau so eingetreten, wie ich es immer behauptet und bereits vor 20 Jahren vorhergesagt habe!

 

Nachtrag September 2011:
Bisher hat sich Deutschland in der Krise wacker geschlagen, selbst die offiziellen Arbeitslosenzahlen sind weiter gesunken. Der günstige Trend wird leider immer noch geschickt (aber wahrheitswidrig) als Erfolg der Agenda 2010 (Hartz IV) verkauft. Derweil haben manch andere EU-Staaten den positiven Effekt der Mehrwertsteuer verstanden und entsprechende Erhöhungen veranlasst. Die Agenda 2010 dagegen fand international keine Nachahmer.

 

Nachtrag Februar 2012:
OECD mahnt Erhöhung der Mehrwertsteuer an!
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfiehlt Deutschland dringendst eine weitere Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Senkung der staatlichen Lohnnebenkosten, um für die Zukunft besser gerüstet zu sein. 19 % Mehrwertsteuer seien entschieden zu wenig, vor allem aber müsse der ermäßigte Steuersatz von 7 % endlich angehoben werden. Die Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträge müssen bereits 64 % des gesamten deutschen Steueraufkommens abdecken - im OECD-Schnitt liegt dieser Satz bei nur 52 %. Der Prophet im eigenen Land gilt bekanntlich nichts. Aber wenn jetzt die OECD ins gleiche Horn bläst, wird ja vielleicht doch einmal mehr darüber nachgedacht. Oder kontakarieren auch weiterhin die Machtinteressen des Kapitals alle vernünftigen Reformbestrebungen?

 

Nachtrag Januar 2015:
Leider haben die großen Erfolge der 2007 durchgeführten Mehrwertsteuererhöhung nicht zu einer weiteren Umsetzung der Lohnkostenreform geführt. Die 2008 einsetzende Banken- und Weltwirtschaftskrise und der daran anschließende Beinahe-Zusammenbruch der Eurozone haben die überfällige Lohnkostenreform in den Hintergrund gedrängt. Die Probleme türmen sich indessen weiter auf. Der Euro ist nur noch mit größten Anstregungen und einer abenteuerlichen Billiggeldschwemme zu halten. Den südlichen EU-Staaten gelingt es trotzdem nicht, ihre Staatsschulden in den Griff zu bekommen und die Massenarbeitslosigkeit sichtbar abzubauen.
Hätte die Presse nicht auf stur geschaltet und schon Anfang der 1990er Jahre eine Diskussion über eine Lohnkostenreform zugelassen, könnte die Welt heute schon ganz anders aussehen. Auch die Eurokrise 2009 hätte sich nicht so dramatisch aufbauen können. Denn ein erfolgreiches deutsches Lohnkosten-Reformwerk wäre sicher (im Gegensatz zur Agenda 2010) von anderen EU-Staaten übernommen worden. Und damit wäre die Übermacht der Konzerne allmählich gebrochen und der absurde Kasino-Kapitalismus gezähmt worden.

 


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© Manfred Julius Müller (unabhängiger, parteiloser Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher). Erstveröffentlichung 2006

 

 

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