Welche analoge Mittelformatkamera ist für Sie empfehlenswert?
Zurzeit
können gebrauchte analoge Mittelformat-Kameras (vor allem die
einäugigen Spiegelreflexkameras) bei ebay noch zu Spottpreisen
ersteigert werden (oft zu einem Zehntel ihres Neuwertes).
Es ist damit zu rechnen, dass nach Abklingen der Digital-Euphorie
diese Kameraspezies wieder eine höhere Wertschätzung
erlangt und dementsprechend auch die Gebrauchtpreise kräftig
anziehen werden.
Denn das analoge Fotografieren im Mittelformat ist nicht nur ein Erlebnis, ein Hobby bzw. eine Kunstrichtung für sich (Näheres) - es bietet auch hervorstechende qualitative Vorteile (Näheres).
Wenn auch Sie sich für eine hochwertige Mittelformatkamera begeistern können, sollten Sie vielleicht beizeiten in dieses System einsteigen. Doch der Markt ist für den Laien schwer überschaubar. Welche Kamera wäre für Sie besonders geeignet? Hier möchte ich Ihnen eine kleine Einstiegshilfe bieten.
1.
Die wichtigste Entscheidung: Welches Mittelformat?
6x6:
Das typische Mittelformat ist das quadratische sogenannte 6x6-Format.
Es war bis zur Jahrtausendwende auch für die meisten Profis das
A und O, weil es genügend "Fleisch" bot, also im Nachhinein der
optimale Ausschnitt (für die Zeitschrift oder das Prospekt)
festgelegt werden konnte. Zudem kann im 6x6-Format der
Lichtschachtsucher so herrlich zum Einsatz kommen. Der seit 100
Jahren hergestellte Rollfilm 120 langt für 12 Aufnahmen
6x6.
4,5x6:
Das zweitgängigste Format, das besonders von Amateuren und
Aktionfotografen geliebt wurde, ist das etwas kleinere Rechteck 4,5 x
6 cm, dass auf einen 120er Rollfilm 15 bzw. 16 Aufnahmen erlaubt.
Der Vorteil dieses Formates: Die Kameras sind etwas kleiner und damit
leichter. Das Format entspricht dem üblichen
Seitenverhältnis, das auch für Abzüge am besten
genutzt werden kann.
6x7: Als drittes Mittelformat wäre das Format 6x7 zu nennen, welches auf einem 120er Rollfilm 10 Bilder liefert. Die 6x7-Kameras kamen (bis auf die Pentax 6x7 und einige handliche Sucherkameras) hauptsächlich im Studio zum Einsatz, weil sie doch einiges größer und schwerer sind. Das 6x7-Format war immer die Domäne der Qualitätsfanatiker.
6x8 bis 6x17: Ein Schattendasein zumindest für den Amateur spielen die noch größeren Formate 6x8 und 6x9 (es gibt sogar exotische Panoramaformate bis 6x17 cm).
Bei der Auswahl des Formate ist es entscheidend, mit welchem Material man später bevorzugt fotografieren will.
a)
Dias
Für
Dias wären 6x6 cm optimal oder aber auch 4,5x 6 cm, falls man
das Rechteck bevorzugt. Für das Format 6x7 gibt es kaum noch
Projektoren und Diarahmen und wenn doch, wird dieses
Großvergnügen sauteuer. Für die Formate 6x8 und 6x9
cm gibt es meines Wissens weder Diarahmen noch
Projektoren.
b)
Farb-Negativfilm
Farb-Negativfilme
wurden schon vor der Digitalära nur selten in privaten
Heimlaboren verarbeitet, weil dafür viel Zeit, Wissen und eine
teure Laborausrüstung vonnöten waren.
Ich liefere heute meine Rollfilme (4,5x6 und 6x6) cm bei Schlecker ab
und bekomme qualitativ hochwertige und günstige Fotos (Preise
wie Abzüge vom KB-Film). Vom 6x6-Format bekomme ich
verständlicherweise nur quadratische Fotos, also 10x10 oder
13x13 cm. Vom 4,5x6-Format erhalte ich fürs gleiche Geld
größere Standardbilder (also 10x15 oder 13x18 cm). Ich
weiß leider nicht, ob Schlecker bzw. die Großlabore auch
genauso problemlos 6x7 oder 6x8 cm Negative verarbeiten.
c)
Schwarzweiß-Negativfilme
Mit
Ausnahme des im Colorprozess zu entwickelnden Ilford XP2 (der bei
Schlecker zu den gleichen Konditionen wie Farbnegativmaterial
entwickelt und vergrößert wird und schwarzbraune Fotos
beschert) lassen sich Schwarzweißfilme recht einfach selbst
entwickeln und vergrößern.
Wer gute Schwarzweißfotos haben will, ist auf ein eigenes Labor
angewiesen (die Großlabore liefern nur recht bescheidene
Ergebnisse). Ausgediente SW-Laborausrüstungen werden zurzeit
ebenfalls zu symbolischen Preisen verschleudert (ebay,
Kleinanzeigenteil der Zeitungen). Selbst
Vergrößerungsgeräte bis zum Format 6x6 oder gar 6x7
finden sich recht häufig. Bei noch größeren Formaten
wird die Suche nach einem Vergrößerer
schwieriger.
Fazit: Beim Format 4,5x6 oder 6x6 cm kann man eigentlich gar nichts falsch machen, bei 6x7, 6x8 und 6x9 cm sollte man sich vorher überlegen, mit welchem Filmmaterial man arbeiten möchte und wie die Weiterverarbeitung gesichert ist. Es sei jedoch erwähnt, dass für 6x7 und 6x8 cm-Kameras auch häufig Wechselmagazine für 6x6 und 4,5x6 cm angeboten werden.
2. Welches Kamerasystem?
Grundsätzlich unterscheiden wir im Mittelformat drei Konzepte: die einäugige Spiegelreflex, die zweiäugige Spiegelreflex und die Messsucherkamera. In den 1940er und den 1950er Jahren waren auch noch die einfachen Boxkameras und Sucherkameras weit verbreitet, mit denen aber heute wohl kaum jemand mehr fotografiert.
a)
die zweiäugigen Mittelformat-Spiegelreflexkameras:
Sie
hatten ihre große Zeit in den 1930er bis in die 1960er Jahre
hinein. Rollei machte sich damit seinen großen Namen und stellt
auch heute noch drei Modelle her (mit Normal-, Weitwinkel- oder
Teleobjektiv). Die Zweiäugigen haben den Vorteil, dass sie
relativ leicht sind, extrem leise auslösen (kein Spiegelschlag)
und das Sucherbild auch im Moment der Auslösung sichtbar
bleibt.
Ihr Nachteil: Der Fotograf sieht nicht durchs Aufnahmeobjektiv
(Parallaxenverschiebung), was schlecht ist bei Nahaufnahmen und
Verwendung von Pol- oder Verlauffiltern. Nur die schweren
zweiäugigen Mamiya-Kameras mit ihrem eingebauten Balgen (C3, 33,
330, 220) boten Wechselobjektive. Die Edelmarke Rollei wird auch
heute noch zu sehr hohen Gebrauchtpreisen gehandelt. Eine neue
Rolleiflex 2,8 F kostete 1969 DM 1236,-. Im gut erhaltenen Zustand
kostet sie heute mindestens die gleiche Summe in Euro.
b)
die einäugigen Mittelformat-Spiegelreflexkameras
In
den 1960er Jahren wechselten viele Profis von der zweiäugigen
Rollei zur einäugigen Hasselblad. Sie bot bei gleicher
Qualität viel mehr Möglichkeiten (Wechselmagazine, eine
große Auswahl an Objektiven). Das bestechende Baukastenprinzip
fand viele Nachahmer und dominiert seither die Mittelformatfotografie
in den Formaten 4,5x6, 6x6 und 6x7 cm.
Ein wenig abweichend von diesem Grundprinzip kamen auch Kameras auf
dem Markt, die der Kleinbild-Spiegelreflex nachempfunden waren
(Praktisix/Exakta 66 und Asahi Pentax 6x7). Diese Kameras fehlten
zwar die Wechselmagazine, sie waren aber handlicher und für
Aktionfotos besser geeignet.
c)
die Mittelformat-Messsucherkameras
Die
Domäne der Mittelformat-Messsucherkamera ist die Reise- und
Aktionfotografie. Denn diese Kameras sind leichter und handlicher als
die einäugigen Mittelformat-Spiegelreflex-Systeme und
verfügen über einen sehr hellen und übersichtlichen
Durchsichtssucher und Mischbildentfernungsmesser, mit dem die
Schärfe von Hand sehr schnell einzustellen ist. Das Angebot an
hochwertigen Messsucherkameras war immer recht übersichtlich -
Mamiya, Fuji und zuletzt auch Zenza Bronica lieferten ausgereifte
Modelle mit Belichtungautomatik (teilweise mit Wechselobjektiven),
die auch heute noch sehr hoch gehandelt werden. Leider werden die
meisten dieser schönen Kameras nicht mehr gebaut - bis auf die
Mamiya 7II (ca. 3800 Euro) und zwei neuentwickelte
Voigtländer-Modelle (2000 und 2500 Euro).
3. Die Qualität
Die Qualitätsunterschiede bei den professionellen analogen Mittelformatkameras werden meines Erachtens mächtig überschätzt.
Von den russischen, mitteldeutschen und chinesischen Günstigmodellen abgesehen bieten alle namhaften japanischen und westdeutschen Mittelformatkameras der Nachkriegszeit eine annähernd gleiche Qualität, was sowohl die Haltbarkeit, die Verarbeitung und die Abbildungsleistung der Objektive betrifft.
Im Heft 6/1992 der Zeitschrift Color-Foto finden sich Testergebnisse der Objektive für die Hasselblad, die Rollei, die Mamiya, Zenza Bronica, Pentax und Exakta. Das verblüffende Resultat: die Qualitätsunterschiede sind minimal. Alle Objektive erreichten ausgezeichnete Werte zwischen 80 und 85 Punkten (von hundert möglichen). Mal war der eine Hersteller, mal der andere einen Tick besser. Wobei es dann aber auch noch auf die Gewichtung ankommt (Schärfe, Kontrast, Verzeichnung, Vignettierung in der Mitte, an den Ecken, bei offener Blende oder abgeblendet).
Punktergebnis
bei den 4,5x6-cm-Kameras, wenn man die Punktzahlen für das
Weitwinkel, das Normalobjektiv und das Tele eines Herstellers
zusammenzählt: Mamiya 245,0, Pentax 245,0, Zenza Bronica 244,5
Punkte (von 300 möglichen). Noch dichter kann man wirklich nicht
beisammenliegen.
Die einzig wirklich nennenswerten noch besseren Ergebnisse zeigten
sich bei den drei Rodenstock-Objektiven für die 6x9-cm-Kamera
(insgesamt 261,9 Punkte). Die drei Zeiss CF-Objektive für die
Hasselblad 6x6 brachten es übrigens auf eine Gesamtsumme von
249,3 Punkten.
Sehr
hoch in Kurs stehen derzeit gute gebrauchte zweiäugige
Rolleiflex. Hasselblad-6x6-SLR und Rollei-6x6-SLR sind etwa doppelt
so teuer wie Mittelformatkameras von Mamiya und Zenza Bronica. Der
Preisunterschied bedeutet aber nicht, dass Mamiya und Zenza Bronica
schlechter sein müssen. Bezahlt wird bei Rollei und Hasselblad
auch der Name und die ehemals deutlich höheren
Anschaffungspreise und auch der Umstand, dass Rolleis und Hasselblads
immer noch gebaut werden.
Ein unverdientes Nischendasein führt Kowa, weil deren
Kameraproduktion bereits 1980 eingestellt wurde.
Die auffälligsten Macken betagter Mittelformatkameras!
Bis in die 1980er Jahre hinein neigten die für die Verschlüsse verwendeten Fette nach Jahrzehnten zum verharzen, vor allem wenn die Kameras und Objektive über viele Jahre nicht benutzt wurden. Erst in den 80er Jahren wurden Schmierfette entwickelt, bei denen dieses leidige Problem nicht mehr auftrat.
Bei Kameras der 50er, 60er, 70er und teilweise auch der 80er Jahre muss man also immer damit rechnen, dass vor allem die längeren Zeiten 1/15, 1/8, 1/4, 1/2 und 1 sec zu träge sind (also zu Fehlbelichtungen führen). Doch dieser Zeitenbereich wird in der Regel selten genutzt - man kommt sehr gut ohne ihn aus.
Reparaturen der Verschlüsse können teuer kommen (eine darauf spezialisierte Firma wird wohl mindestens 200 Euro berechnen, prüft bei dieser Gelegenheit natürlich auch die Verschleißteile, wechselt ausgeleierte Federn aus usw.).
Einige private Anbieter weisen beim Verkauf darauf hin, dass ihre Objektive fachgerecht überholt wurden (dokumentieren es mit einer Reparaturrechnung). Solche überholten Objektive sind natürlich wesentlich mehr wert.
Ein anderer Schwachpunkt sind auch die früher verwendeten Schaumstoffe zur Abdichtung der Filmkassetten oder Dämmung des Rückschwingspiegels. Manche dieser Gummis neigen nach Jahrzehnten zum Zerbröseln. Diesen Fehler kann man meist aber selbst mit ein wenig Geschick beheben.
Eine begrenzte Haltbarkeit haben die Rückschwingspiegel (man munkelt von einer Höchstbelastbarkeit von 50.000 Auslösungen). Diese hohe Auslastung wurde in der Regel höchstens von einigen Profis erreicht (bei meinen Kameras gab es noch nie Probleme damit).
Ich habe Erfahrungen mit 3 zweiäugigen Rolleiflex, 3 Kowa-Six bzw. Kowa-Super-Gehäusen mit mehreren Objektiven und einigen Zenza-Bronica ETR, ETRS oder ETRSi-4,5x6-Kameras.
Es traten bisher folgende Fehler auf:
Bei der zweiäugigen Rolleiflex von 1953 funktionieren nur noch die Zeiten 1/100 und 1/250 - sonst gibt es an der Kamera keine relevanten Fehler (wobei aber zu bedenken ist, dass vor 50 oder 60 Jahren die Mattscheiben noch relativ dunkel waren).
Bei zwei meiner Kowa-Gehäuse gibt es noch keine Schäden, bei einem gebraucht gekauften Gehäuse Baujahr 1968 hakt ein wenig der Lichtschacht (Kowa hat den einige Jahre später durch eine bessere Konstruktion ersetzt). Bei meinen 7 Kowa-Objektiven sind die Zeiten im Bereich 1/8 bis 1 sec. ein wenig zu träge (1/15 bis 1/500 funktionieren aber einwandfrei).
Meine Zenza Bronica ETR, ETRS, ETRSI: alle Gehäuse arbeiten einwandfrei. Lediglich ein 40 Jahre altes ETR-Magazin hat einen leichten Lichteinfall, Schwachpunkt der Bronicas ist die Einstellscheibe, die zwar schön hell ist, aber auch kratzempfindlich (manche Vorbesitzer haben sie unsachgemäß gereinigt). Bei einem meiner 9 Objektive lässt sich die Zeit etwas schwergängig einstellen. Die Zeiten arbeiten bei allen meinen Zenzanon-Objektiven einwandfrei (elektronisch gesteuerter Zentralverschluss).
4. Kriterium: Was wollen Sie fotografieren?
Wozu brauchen Sie die Kamera hauptsächlich? Wollen Sie überwiegend Landschaften fotografieren oder im Studio arbeiten, so können auch größere Kameras eingesetzt werden. Wer sich hauptsächlich für die Architektur interessiert, der sollte vielleicht zunächst nach einem Shift-Objektiv Ausschau halten (das recht selten angeboten wird und das es nicht für alle Kameramodelle gab).
Für Aktionfotos, Schnappschüsse usw. eignen sich die kleineren und handlicheren 4,5x 6 cm Kameras am besten. 4,5x6 und 6x6 sind grundsätzlich sehr universell einsetzbar, vor allem, wenn man ein wenig aufs Gewicht achtet (die zweiäugigen Mamiyas, die Rollei SL66 und auch die älteren Zenza Bronicas SA2 und EC sind da schon etwas unhandlicher).
5.
Kriterium: Brauche ich Wechselmagazine?
Nicht
alle Mittelformatsysteme verfügen über Wechselmagazine.
Aber da heute eh kaum noch Probe-Polaroidfotos angefertigt werden,
haben Wechselmagazine auch nicht mehr die Bedeutung wie früher.
Notfalls kauft man sich halt ein zweites Gehäuse.
6.
Kriterium: Zentralverschluss oder Schlitzverschluss?
Wenn
Sie viel mit Blitzlicht arbeiten, wäre der Zentralverschluss
vorzuziehen, weil er auch bei Blitzlicht kurze Zeiten
ermöglicht. Ansonsten ist dieses Kriterium zweitrangig. In der
Herstellung waren die Zentralverschluss-Objektive grundsätzlich
teurer, weil der Verschluss in jedes Objektiv eingebaut werden
musste.
Damit sinkt aber auch das Risiko - sollte ein Objektiv seinen Geist
aufgeben, kann mit einem anderen Objektiv weitergearbeitet werden -
es streikt nicht die ganze Kamera.
Mechanische Zentralverschlussobjektive bieten zwei Vorteile: Sie
kommen ohne Batterien aus und der Verschluss kann auch dann noch von
Fremdwerkstätten repariert werden, wenn es den Hersteller
längst nicht mehr gibt.
7.
Kriterium: Mit welchem Suchersystem möchten Sie arbeiten?
Der
aufklappbare Faltlichtschacht ist für mich eine
Offenbarung, weil man hier das Motiv am besten kontrollieren kann und
dass Bild durch die ausschwenkbare Einstelllupe so wunderbar
vergrößert wird. Nachteil: das Mattscheibenbild ist zwar
aufrechtstehend, aber seitenverkehrt - doch daran gewöhnt
man sich. Ein ähnliches Bilderlebnis liefert der starre
Lichtschacht, der oft noch mit einem hochwertigen Belichtungsmesser
ausgerüstet ist.
Das Problem: Der Lichtschacht ist ideal für das quadratische
6x6-Format - beim Rechteck lässt es sich nur bequem für
Querformate einsetzen. Fürs Hochformat muss die Kamera um 90
Grad gedreht werden und dann wird die Bildkontrolle doch etwas
schwierig (manche 6x7-Kameras lösten dieses Problem durch eine
drehbare Filmkassette).
Bei den
Kameras mit rechteckigem Format (4,5x6 und Pentax 6x7) kommt deshalb
meistens ein Prismensucher zum Einsatz, wie wir ihn von der
normalen Kleinbildkamera gewohnt sind. Der Prismensucher liefert ein
seitenrichtiges Bild, was ihn besonders für Aktion- und
Sportfotos prädestiniert.
Der Clou: Die namhaften Hersteller boten auch Prismenaufsätze
mit Belichtungsmesssystem und abschaltbarer
Belichtungsautomatik. Nachteil des Prismas: Gut 200 g mehr
Gewicht und eine erschwerte Scharfstellung, da das Sucherbild anders
als beim Lichtschacht nicht vergrößert wird.
Das optimale Lösung bieten meines Erachtens 6x6-Kameras mit eingebauter und abschaltbarer Belichtungsautomatik (Rolleiflex SLX, 6002/3/6/8, Zenza Bronica EC-TL und die Hasselblad 201, 202, 203, 205. Da lässt sich dann Lichtschacht und Automatik gleichzeitig nutzen.
Zukunftsperspektiven
...
Wie
wird sich die Mittelformat-Fotografie in den nächsten
Jahrzehnten entwickeln?
Ich
denke, dass der Schwerpunkt der Mittelformat-Kameras sich mehr und
mehr in den Schwarzweißbereich verlagert, während
Farbnegativ- und auch Farbumkehrfilme an Bedeutung verlieren
werden.
Ich gehe daher davon aus, dass es auch in 50 Jahren noch ein breites
Angebot an Schwarzweiß-Negativfilmen geben wird (und sogar neu
konstruierte analoge Mittelformatkameras). Schwarzweißfilme und
Schwarzweiß-Fotopapier erfreuen sich schon seit Jahren in
vielen Ländern wieder einer steigenden Beliebtheit. Die analoge
Schwarzweißfotografie hat sich als eigenständige
Kunstrichtung längst etabliert (Slogan: "Klassisches Analogfoto
- Originalabzug vom Künstler").
Weniger sicher scheint, ob es in ferner Zukunft auch noch die Batterien und Akkus für die alten Analog-Kameras mit elektronischem Verschluss geben wird. Es wäre also ratsam, beim Kauf einer solchen Kamera auch an die Energieversorgung zu denken und sich beizeiten ein oder zwei Lithium-Batterien zurückzulegen (so dass man zumindest für die nächsten 10-15 Jahre über die Runden kommt).
Bei den Kameras mit mechanischen Verschlüssen (zweiäugige Rolleiflex, Hasselblad 501/503, Kowa Six usw.) besteht diese Sorge nicht. Batterien für die eventuell vorhandene CDS-Belichtungsmessung sind weniger bedeutsam, da es schließlich auch externe Belichtungsmesser zu kaufen gibt und bei belichtungstoleranten Schwarzweißfilmen man sich notfalls sogar mit Tabellen behelfen kann (wie sie zum Beispiel auf der Rückseite alter zweiäugiger Rolleiflex-Kameras angebracht wurden).
Viel
Glück beim Suchen!
Ich
hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen kurzen Ausführungen eine
kleine Entscheidungshilfe geben. Dieser Text wurde nach bestem Wissen
und Gewissen erstellt - eine Gewähr für dessen Richtigkeit
kann ich aber nicht übernehmen. Sollten Sie einen sachlichen
Fehler entdecken, wäre es sehr freundlich, dies mir mitzuteilen
unter m.mueller@iworld.de.
PS: Nachtrag, Februar 2012: Neue analoge Mittelformatkameras gibt es von DHW, nämlich die Rolleiflex Hy6 (Gehäusepreis ca. 6000 Euro) und die Rolleiflex 6008 AF (Gehäusepreis ca. 2000 Euro). Für diese beiden Kameras gibt es auch Digital-Rückteile. Ferner baut DHW noch die drei Klassiker der zweiäugigen Rolleiflex mit Normalobjektiv, Tele oder Weitwinkel (Komplettpreis jeweils zwischen 4200 und 4800 Euro). Hasselblad liefert neben seinen neuen (sündhaft teuren) Digital-Mittelformatkameras noch den analogen Klassiker 503 CW (Gehäusepreis ca. 3400 Euro). Mamiya bietet noch die analoge 645AFD (Gehäuse ca. 4600 Euro) und die RZ67 Pro IID (Gehäuse ca. 2300 Euro) und die Mamiya 7II Sucherkamera (Gehäuse ca. 2300 Euro) und Voigtländer steuert ebenfalls zwei (neu entwickelte) Mittelformat-Sucherkameras bei (2000-2500 Euro mit Objektiv).
Hinweis
für junge Leute, die Analogkameras nur noch vom
Hörensagen kennen: Die
Vollautomatiken in den heutigen Fotohandys und
Digitalkameras sind das Ergebnis einer seit den 1950er
Jahren andauernden Forschungs- und
Entwicklungsarbeit. Mit
einer automatischen Scharfstellung wurden die
analogen KB-Spiegelreflexkameras erst in den 1980er Jahren
ausgerüstet. Die meisten Hersteller der
Mittelformatkameras verzichteten auf diese neue Technik
(weil sie auch eine Reihe von Nachteilen
aufweist). Auch
die Belichtungsautomatiken vervollkommneten sich erst
im Laufe von vielen Jahrzehnten. Bei den Mittelformatkameras
war es bis in die 1970 Jahre hinein üblich, den
Lichtwert mit einem externen Belichtungsmesser oder einem
speziellen Sucheraufsatz mit Belichtungsmesser zu ermitteln
und die abgelesenen Wert von Hand zu übertragen (Blende
und Zeit). Ende
der 1970er Jahren wurden bei einigen
Mittelformat-Systemkameras als teures Zubehör
erhältliche Prismenaufsucher (ca. 1000 Euro) mit
eingebauter Belichtungsautomatik populär. Seit
dieser Zeit gibt es auch einige wenige
Mittelformat-Kamerasysteme mit im Kameragehäuse
integrierter Belichtungsautomatik (die also auch mit
Lichtschacht funktioniert). Zu dieser Spezies gehört
die Zenza Bronica ECTL und vor allem natürlich
Rolleiflex SLX, 6002, 6003, 6006, 6008. Denken
Sie also beim Kauf einer analogen Mittelformatkamera daran,
dass Sie auf den bequemen Digitalkomfort ganz oder teilweise
verzichten müssen und evtl. auch einen
Hand-Belichtungsmesser brauchen, falls ein Messsystem nicht
eingebaut oder kein entsprechender Sucheraufsatz vorhanden
ist.
Das
Versandhaus Foto-Müller in Flensburg existierte von 1969 bis
2021.
PS:
Manfred Julius Müller war über 50 Jahre Inhaber eines
Versandhauses für Fotobedarf und Fotozubehör. Einige
Artikel über die analoge Fotografie kann man immer noch
nachlesen (wegen des
anhaltend großen Interesses wurden sie noch nicht
gelöscht).
Abhandlungen
über die analoge Fotografie
Analog
oder digital?
Hat im digitalen Zeitalter die analoge Fotografie noch eine
Existenzberechtigung?
Mittelformat-Fotografie
Warum sollte man heute noch analog fotografieren?
Welche
gebrauchte analoge Mittelformatkamera würden Sie
empfehlen?
Die
Kowa Six und die Kowa Super 66
Die
zweiäugigen Rolleiflex und
Rolleicord
Was
ich beim Gebrauchtkauf einer Zenza Bronica ETRSi beachten
sollte!
Luxus
pur im Mittelformat: Von der Rolleiflex SLX bis zur Rolleiflex
6008
Wie
entwickle ich meinen ersten
Schwarzweißfilm?
Selbst
vergrößern - der Traum von der eigenen
Dunkelkammer
Was
muss ich beim Kauf eines gebrauchten Vergrößerers
beachten?
Übrigens
hat Foto-Müller auch jahrzehntelang ein
Fotokunstmagazin zur Förderung der analogen
Schwarzweißfotografie herausgegeben. In jedem Heft
wurden die besten Fotos eines internationalen Wettbewerbs
präsentiert. Jeweils 44 Seiten DIN A4, kräftiges
Kunstdruckpapier.